Kirchliche Unterweisung für Herz, Kopf und Hand

Die folgende Reportage aus Ins und Linden (beide im Kanton Bern) geht allen drei Stufen der in den vergangenen zwei Jahrzehnten reformierten Kirchlichen Unterweisung KUW nach. Diese ist im vergangenen Jahrzehnt verbindlich von der Kantonalkirche Bern, Jura und Solothurn eingeführt worden.

Der KUW-Unterricht richtet sich an Herz, Kopf und Hand. Er ist in allen Stufen methodisch vielfältig, gestalterisch-kreativ und am Erlebnis orientiert. Im Vordergrund steht nicht die Leistung, sondern die christliche Botschaft, dass alle willkommen sind. Das unterscheidet die KUW vom Schulunterricht, wo "teaching about" gilt. Im KUW gilt "teaching in": Der Unterricht ist persönlicher; eine langjährige, tragfähige Beziehung der Katechetin zu Schülerinnnen und Schülern führt in Glaubensfragen in die Tiefe und in oberen Klassen werden gemeinsam jugendgerechte Liturgien entwickelt.

Die Unterrichtszeiten ausserhalb der Schulzeit geben zu Diskussionen mit den Eltern Anlass. Darin spiegeln sich veränderte Werthaltungen: Die Bedeutung des Religionsunterrichts sinkt bei vielen Eltern, die sich auch nur beschränkt in den Unterricht einbeziehen lassen. Trotzdem bewähren sich die Verteilung des Unterrichts über alle Schuljahre und die neuen pädagogischen Konzepte aus der Sicht aller Beteiligten.

1. Reportage über den KUW I – Unterricht in Ins

Es ist sehr heiss an diesem 15. August 2012. Wir befinden uns auf dem Rasen vor dem Kirchgemeindehaus  Ins, wo Katechetin Irène Löffel das Zvieri an die KUW I – Schüler verteilt. Das Essen besteht aus Fladenbrot, Apfelmus, hart gekochten Eiern, Radieschen, Petersilie und Salzwasser. Dies erinnert an Nahrungsmittel des jüdischen Passah-Mahls, das Jesus mit seinen Jüngern vor seiner Kreuzigung eingenommen hat und woraus dann das christliche Abendmahl entstanden ist. Die Kinder haben in der Stunde vorher davon gehört.

Der 9-jährige Florian erzählt, er habe gerade eine "Geschichte aus der Bibel" gehört. Was denn KUW heisse, frage ich die 8-jährige Cécile. "Katholischer Unterricht", meint sie. Andere korrigieren sie. Tamara, 8-jährig, blickt weiter zurück: "Wir haben letztes Jahr eine Glocke angeschaut, den Turnsack bemalt und eine Kerze verziert." Dem gleichaltrigen Adrian gefallen die Hitze und einige Arbeitsblätter nicht. Andere Kinder erinnern sich an das Lied "Shalom chaverim – Friede sei mit euch". Das haben sie gerne gesungen. Ein Kind beginnt damit, das Lied anzustimmen. Ein Lied, das berührt.

KUW I: Geschichten hören, singen, kreativ sein

Der folgende Unterricht handelt von "Jesus und das Abendmahl". Die Kinder üben ein Lied ein:"Ig lade öi i zu Brot u Wii".  Irène Löffel fragt: "Wer ist ‚ig’"? Die Kinder antworten im Chor: "Jesus". Praktikantin Sabine Eggimann legt den Kindern nahe: "Das Christentum ist aus dem Judentum entstanden. Jesus war ein Jude!"

Danach ist Gruppenarbeit angesagt. Gruppe 1 beantwortet mit der Katechetin Fragen, beispielsweise: "Was machte Moses am Schilfmeer?" Gruppe 2 bemalt mit der Praktikantin Trinkgläser mit christlichen Symbolen: Brot, Trauben, Regenbogen…

In Ins erfuhr das bisherige KUW-Konzept 2010 eine Änderung. Der Unterricht sollte nicht mehr in der 4. Klasse, sondern bereits in der 1. Klasse beginnen. "Das grosse Thema war vor allem die zeitliche Integration des Unterrichts", erinnert sich Irène Löffel. Renate Begré-Spycher, damals Leiterin der Fachstelle Weiterbildung und Beratung KUW der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, half der Kirchgemeinde, die heiss umstrittenen Fragen zu klären.

Tragfähige Beziehung fördern Glaubensgespräche

Das neue System habe sich "sehr gut bewährt", bilanziert sie. "Die Kinder sind im KUW I (1.-3. Klasse) begeisterungsfähig und machen gerne mit. Hier können tragfähige Beziehungen aufgebaut werden." Irène Löffel unterrichtet die Kinder von der 1. bis zur 9. Klasse, was sie als grossen Vorteil ansieht. Langjährige Beziehungen zu den Schülern fördern das Vertrauen. Auf dieser Basis können altersgerecht Glaubensgespräche in die Tiefe geführt werden.

Sie orientiert am ersten Elternabend über Sinn und Zweck der KUW. Hier werden die Kinder eingeschrieben und die Eltern zur Mitarbeit motiviert. Die Eltern sorgen dafür, dass ihre Kinder die Verpflichtungen einhalten, besonders den Besuch des Unterrichts. Die Eltern werden neben Elternabenden an Gottesdiensten und Apéros einbezogen.

2. Reportage über den KUW II – Unterricht in Linden

 "Gut. Ich habe bereits das Alte Testament gelesen", sagt mir der 10-jährige KUW II- Schüler Michael auf die Frage, wie ihm der KUW-Unterricht gefalle. Erstaunt frage ich: "Konntest du das Alte Testament bereits verstehen?" "Ja", meint er, "eine Grosstante hat mir dabei geholfen." Vom KUW II – Unterricht, der vor einer Stunde begonnen hat,  erwartet er "weitere spannende Sachen".

Es ist der 16. August und wir befinden uns in Linden, einem Dorf am Rande des Emmentals. Die KUW-Klasse II macht gerade Pause. Die 10-jährige Dana erinnert sich noch an den KUW I – Unterricht: "Da haben wir alles über Gott erfahren." Die 11-jährige Claudia kommen Lieder und ein Theater in den Sinn, das sie gespielt haben. Angela, 10, sagt das gleiche und weiss noch einen Satz aus der Bibel: "Bau dein Haus nicht auf Sand".

Die KUW – Lehrerin Karin Bernard ist ausgebildete Lehrerin. Sie wird begleitet vom KUW-Mitarbeiter David Gerber, der an der pädagogischen Hochschule studiert und später als Verantwortlicher in Linden KUW-Unterricht erteilen wird.

Spielorientierter KUW II - Unterricht

Tische und Stühle des KUW-Unterrichtszimmers sind für Frontalunterricht vorbereitet. Die Kinder bekommen ein Blatt "Knack den Code", eine Art Geheimschrift, die einige interessante Fakten über die Bibel verbirgt. Fleissig arbeiten die Kinder an den Antworten – alle finden den Geheimcode heraus.

Danach kündigt Karin Bernard das Spiel "Bibel hoch" an. Die Kinder bekommen die Kurzform einer Bibelstelle vorgelegt. Wer die Textstelle als erstes findet, liest sie vor und hat gewonnen. Zuerst ein Testlauf. Gespannte Ruhe. Die Lehrerin gibt die Bibelstelle bekannt: 1. Samuel 16.7. Die Kinder suchen konzentriert in "Gute Nachricht für Teens". Schon bald hat jemand einen Vers gefunden. Doch es ist der falsche. Die Schüler blättern noch emsiger in der "Jugendbibel", bis jemand fündig wird. Der Sieger liest den Vers vor.

Weiter geht es mit dem Unterrichtsblatt "Schlag nach!" Die Lösung kann ebenfalls in der Bibel nachgeschlagen werden. Beispielsweise so: "A steht für …., Kains Bruder (1. Moses 4, Vers 3-8)." Die beiden Lehrpersonen unterstützen die Kinder individuell bei ihrer Suche.

Danach stellt Karin Bernard den nächsten KUW-Unterricht vor, wo es um das Thema Träume und Wunschträume gehen wird. Die Kinder werden gebeten, dazu Bilder mitzubringen. Zum Schluss macht David Gerber mit den Kindern vor dem Kirchgemeindehaus einen Abschluss mit Bewegung.

Erlebnis statt Leistung

Alles in allem: Ein methodisch vielfältiger, abwechslungsreicher und klar geführter Unterricht zum Thema Bibel. Der Unterricht ist mehr erlebnis- als leistungsorientiert. Die Kinder folgen der Lehrerin gut und arbeiten meist erstaunlich konzentriert. Das pädagogische Motto von Karin Bernard lautet denn auch: "Erlebnisorientiert, Abwechslung, Bewegung – und doch die Inhalte nicht zu kurz kommen lassen." Sie will den Kindern "etwas für die Zukunft mitgeben" und auch die Basis für den Entscheid legen, ob sie sich konfirmieren lassen wollen oder nicht.

Nach der Stunde erzählt Karin Bernard, wie der neue KUW-Unterricht 1998 an grossen Elternabenden eingeführt worden ist. "Der Einbezug der  Eltern und die KUW-Zeiten änderten sich. Die Eltern waren kritisch, die neuen Zeiten gaben zu reden." Pfarrer Beat Weber wird deutlicher: "Einige Eltern standen fast Kopf, als wir den KUW-Unterricht bereits in der 3. Klasse beginnen wollten." Bemerkenswert: Die KUW-Zeiten sind bei den Eltern immer wieder ein Stein des Anstosses, nicht aber Inhalt und Methodik des neuen KUW-Unterrichts. Das abnehmende Interesse an Religion zeigt sich versteckt in dieser Form.

Pfarrer Weber übernimmt in Absprache mit dem Katecheten, der in der Oberstufe unterrichtet, bestimmte Aufgaben und Themen der KUW III. Pfarrer Beat Weber geht es im Unterricht vor allem darum, Inhalte der Bibel zu vermitteln, Lebenshilfe zu geben und so den Jugendlichen Entscheidungsgrundlagen zu geben, dass sie "wissen, was sie glauben".

Unbedachtes Problem Sonntagsschule

Es gibt aus seiner Sicht ein unbedachtes Problem: "Die KUW konkurrenziert die Sonntagsschule. Die biblischen Geschichten, die vorwiegend in der Sonntagschule erzählt werden, sind unersetzlich", ist er überzeugt. Noch verfügt Linden erstaunlicherweise über vier Sonntagsschulen. "Aber es beginnt auch bei uns abzubröckeln", muss er feststellen.

Ebenfalls als Problem erachtet Karin Bernard die Vorgabe der Kantonalkirche, wonach ausgebildete Katechetinnen unterrichten sollen. "Es ist von uns aus gesehen besser, wenn jemand aus dem Dorf unterrichtet, jemanden, den man kennt und zu dem eine Beziehung aufgebaut werden kann." Auch wenn er oder sie nicht als Katechet ausgebildet ist.

Eltern tragen KUW-Unterricht beschränkt mit

Das Mittragen des KUW-Unterrichts durch die Eltern vermag nicht immer zu überzeugen. "Das Hauptproblem sind Eltern, die den Glauben selber kaum leben", ist Beat Weber überzeugt. "Doch Teenies brauchen das, sie suchen Authentizität."

"Die Verteilung des Unterrichts über alle Schuljahre bewährt sich", sagt der Pfarrer. Die dabei angewandten ganzheitlichen pädagogischen Konzepte seien besser als früher. Die Betonung des Erlebnishaften dürfe aber nicht zur "Ausdünnung der Glaubensinhalte führen. Die KUW muss nach wie vor die biblische Botschaft vermitteln."   

Trotzdem aller Einwände ist er überzeugt: "Das KUW-Konzept ist an sich gut." Mit dem neuen KUW-Unterrichts ist auch Karin Bernard sehr zufrieden: "Es läuft gut und ich werde vom Kirchgemeinderat unterstützt. Die Diskussionen mit den Eltern sind konstruktiver geworden."

3. Reportage über den KUW III – Unterricht in Ins

"Die Regeln im Konflager sind eine heikle Angelegenheit", verrät mir Pfarrer Ueli Tobler, der an diesem 21. August gerade aus dem KUW-Unterrichtszimmer kommt. Im Alleingang unterrichtete er mit etwa 15 Stellenprozent bis 2001 von der vierten bis zur neunten Klasse. "Danach übernahm eine Kollegin den Unterricht", erinnert er sich. Heute beginnt der Unterricht bereits in der ersten Klasse und statt der beiden Pfarrpersonen unterrichten heute drei Katechetinnen mit je 25 Stellenprozent. Ueli Tobler ist noch für ein KUW-Atelier an drei Nachmittage im 9. Schuljahr verantwortlich.

Inzwischen machen die KUW-Schüler Pause auf dem Rasen vor dem Kirchgemeindehaus Ins. Ich frage den 9.-Klässler Sandro, was ihm am KUW-Unterricht am besten gefalle. "Die Pausen", meint er vorerst einmal. Warum kommt er in den KUW-Unterricht? "Zuerst wurde ich getauft, und nun kommt die Konfirmation. Ich bin nicht ganz freiwillig hier, denn es gilt: Kein Unterricht – keine Konfirmation", so die Antwort. Konfirmiert möchte er werden, aber wohl eher, weil das so Brauch ist und weil die Eltern es wollen. "Mein Interesse an religiösen Themen ist eher klein", gibt Sandro ehrlich zu.

Motivation Konfirmation

Flavia erinnert sich gerne an die Kinderwoche in der 1. Klasse und Tiffany freut sich auf das Konflager, weil sie dort mit Kollegen zusammen sein kann. "Wir kommen bald aus der Schule. Die Konfirmation zeigt, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt." Der 15-jährige Philippe ist wegen der Konfirmation hier und auch, "weil die Mutter es will". Was würde er am KUW ändern? "Weniger Unterricht: Ein Tag pro Jahr, mehr Spannung, KUW während der Schulzeit, mehr Singen und ein längeres Konflager (eine Woche)".

Die Pause ist zu Ende. Die Schülerinnen und Schüler sitzen im Kreis im Unterrichtszimmer. Katechetin Irène Löffel bespricht das Konflager. Einige Jungen machen dauernd Bemerkungen. Die Katechetin spricht lauter und gibt eine besondere Regel für das Konflager bekannt: Das Gepäck wird auf Alkohol untersucht werden. Diese Regel musste, so Irène Löffel später, wegen Alkoholmissbrauch in einem früheren Lager eingeführt werden. Zwei Jungen werden das Lager früher verlassen dürfen, weil sie an einer Korbballmeisterschaft teilnehmen. "Das ist so mit dem Kirchgemeinderat abgesprochen. Die Fehlzeit muss später nachgeholt werden", erklärt sie.

Vikarin Judith Meyer hat im kühlen Zivilschutzraum vier Plakate vorbereitet. Die Themen: Umwelt, Mensch, Natur, Glauben. Die Jugendlichen zirkulieren und schreiben Stichworte darauf. Die Mädchen gehen ruhig von Plakat zu Plakat, einige Jungs sorgen, je nach Sichtweise, für Spass oder Unruhe. Die Stichworte beim Glaubensplakat lauten: Gott, 24.12., KUW, Konf, Jesus, Bibel, Kirche, Reife, Aberglauben, Maria. Auf dem Plakat Natur taucht das Stichwort "Naturkatastrophen" auf. Dies werde im Konflager besprochen, kündigt Vikarin Meyer an und bespricht kurz einige der notierten Stichworte.

Überraschend wird es ruhig

Überraschenderweise wird es beim Verlesen von Psalm 8 zur "Herrlichkeit des Schöpfers" ruhig. Die Jugendlichen suchen nun in der Bibel Psalm 8. Es bleibt ruhig.

Vikarin Judith Meyer versucht, mithilfe von Folien ein Gespräch zu "Mensch und Umwelt" in Gang zu bringen. Sie stellt eine grosse Frage in den Raum: "Gott setzte den Menschen als Herrscher über sein Werk ein. Was heisst das?" Das Gespräch harzt, das Ganze scheint den Jugendlichen peinlich zu sein. Irène Löffel fragt konkret nach: "Was ist, wenn Ihr zu Hause über Haustiere herrscht?" Nun kommen doch einige Antworten. Zum Schluss beten alle das Vater Unser. Einigen Schülern scheint das ebenfalls peinlich zu sein, aber fast alle falten die Hände und beten mit.

Religion nicht erstes Thema bei Jugendlichen

Im Nachgespräch spreche ich die Störungen einiger Jungen an. "KUW ist immer laut", sagt Katechetin Irène Löffel, "manchmal auch anstrengend." Aber sie gebe gerne Unterricht und nehme das als altersgemässe Erscheinung in Kauf. "Religion ist nicht ihr erstes Thema, das schlägt auf die Motivation", begründet sie die Störungen. "Wir berücksichtigen dies, indem wir ihre Themen in den Unterricht integrieren." Das Interesse des Pupertierenden an sich selber – wer bin ich? –, seine Stellung in der Gruppe und in der Welt ist essenziell im KUW III-Unterricht.

Ob nur ich die Stimmung am Schluss als peinlich wahrgenommen habe, frage ich. "Der Glaube ist etwas Persönliches und wird in diesem Alter nicht gerne vor den andern ausgelebt oder diskutiert.In Kleingruppen geht es meist besser", meint Irène Löffel dazu. "Sie sind eigentlich offen, wirken aber oft frech." Die Regeln im Konflager würden "relativ gut" eingehalten.

Unterricht für Herz, Kopf und Hand

Die Kantonalkirche vertritt in ihrer Wegleitung einen "Unterricht für Herz, Kopf und Hand auf allen Stufen". Irène Löffel dazu: "Das ist eine Herausforderung, die viel Zeit und klare Ziele bedingt. Doch im Grunde genommen kann man nicht anders unterrichten. Wichtig ist, dass die Jugendlichen etwas erleben und dass sie kreativ sein können." Im KUW-Unterricht gibt es keine Noten. Gelten hier andere Werte als in der Schule? "Wir versuchen im KUW-Unterricht zu vermitteln, dass alle Menschen gleich viel wert sind. Gott hat alle gern!"

Der Einbezug der Eltern in den KUW-Unterricht geschieht in Ins an Elternabende und allenfalls mit Einzelgespräche. Oft arbeiten heute beide Elternteile, weshalb ihr Einbezug in den Unterricht oder in Lager nicht einfach ist – "oft sogar aufwendiger" (Löffel). Wichtig sei eine gute Beziehung der Katechetinnen zu den Eltern.

Was sind die Highlights des KUW-Unterrichts? Für Irène Löffel sind das das Konflager und die Konfirmation, "generell dann, wenn wir etwas gemeinsam unternehmen, wenn wir gemeinsam unterwegs sind und nicht das Gefühl von Schule vorherrscht." Das zeige sich auch daran, dass bereits Konfirmierte zwischen 17 und 23 Jahren gerne im Konflager der Jüngeren helfen. "Da hat es nie zuwenig", lacht Katechetin Irène Löffel.

Alfred Arm

 

KUW wird Kinder- und Jugendgerechter

"Der Jahrtausendwechsel bedeutete in der Kirchlichen Unterweisung KUW den kontinuierlichen Übergang von der Pionier- zur Konsolidierungsphase", fasst Renate Begré-Spycher* die vergangenen zehn Jahre zusammen. Folgend eine vorläufige Bilanz.

Der Synodebeschluss zur neuen KUW (kirchlichen Unterweisung) von 1992 liess den Kirchgemeinden Zeit, bis ins Jahr 2005 die neue Kirchliche Unterweisung einzuführen und die Brücke zwischen Taufe, freiwilligen Angeboten im Rahmen von Sonntagschule, Fiire mit de Chliine etc. und dem Konfirmandenunterricht in der Oberstufe zu schliessen.

Dieses Ziel konnte erreicht werden, die neue Form der KUW ist zum "courant normal" geworden. Der grosse Freiraum, den die "Wegleitung für die Kirchliche Unterweisung" bezüglich Lektionenzahl und Verteilung auf die einzelnen Schuljahre den Kirchgemeinden liess, hat sich in der Aufbauphase mehrheitlich bewährt.

Mittlerweile gehört es zum kirchlichen Alltag, dass Pfarrpersonen auch auf der Unter- und Mittelstufe unterrichten, dass Katechetinnen und Katecheten zu den professionellen Mitarbeitenden einer Kirchgemeinde gehören und dass kirchlicher Unterricht häufig im Team unterrichtet wird.

Für Eltern ist es normal, dass ihr Kind bereits in der Unterstufe zum kirchlichen Unterricht eingeladen wird; nach wie vor wird die KUW von der Mehrheit der reformierten Kinder und Jugendlichen besucht, die meisten von ihnen wollen sich konfirmieren lassen.

Deutlich verändert haben sich in den letzten 10 Jahren die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Viele Kinder steigen in die KUW ohne jegliche kirchliche und mit wenig religiöser Sozialisation ein. Sie kennen kaum biblische Geschichten und sind mit kirchlichem Feiern wenig vertraut. Hier zeigt sich deutlich, dass im Rahmen des KUW-Konzeptes, wie es die "Wegleitung für die Kirchliche Unterweisung" vorgibt, kaum mehr adäquat auf die aktuelle gesellschaftliche Situation reagiert werden kann.

Viele Kirchgemeinden versuchen deshalb, ihr eigenes KUW-Konzept den heutigen Gegebenheiten anzupassen. Da bis anhin ein verbindliches "Religionspädagogisches Gesamtkonzept" fehlt, das den Bogen von der Taufe bis ins Erwachsenenalter schlägt, laufen diese Versuche Gefahr, zu rein punktuellen, ‚kosmetischen’ Verbesserungen zu werden. Hier ist dringender Handlungsbedarf erkannt worden.

Zunehmend schwieriger gestaltet sich die Organisation der KUW: Unterrichtende beklagen die fehlenden Zeitfenster für die KUW. Die Stundenpläne der Schule, die vielseitigen sportlichen und musischen Freizeitengagements der Kinder und Jugendlichen füllen deren Agenden, für den Besuch der KUW bleiben Randstunden und Wochenenden übrig. Dieser Umstand wirkt sich deutlich negativ auf die Motivation der Kinder und Jugendlichen für den Besuch der KUW aus. An Elternabenden werden Unterrichtende in mühsame Diskussionen über Absenzen, Dispens und Nachholmöglichkeiten verwickelt, Fragen um Zielsetzungen und Inhalte der KUW bleiben auf der Strecke.

Kirchgemeinden in Randregionen beklagen sich über die fehlenden personellen Ressourcen: Reduzierte Stellenprozente bei den Pfarrstellen und ein Mangel an ausgebildeten Katechetinnen und Katecheten erschweren es, Katechetenstellen mit kleinem prozentualem Umfang zu besetzen. Die Kirchgemeinden weichen dann auf KUW-Mitarbeitende aus; diese sind aber nicht qualifiziert für das selbständige Führen von Klassen. Die Situation ist für alle Beteiligten unbefriedigend.

Ein viel versprechender Lösungsansatz des Problems zeichnet sich in der Regionalisierung ab: Mehrere Kirchgemeinden bieten gemeinsam eine grössere Katechetenstelle an; ein Teil der KUW wird (vor allem in der Oberstufe) zentral im Rahmen von Wahlfachkursen für mehrere Gemeinden angeboten.

Trotz dieser Schwierigkeiten darf aber behauptet werden, dass die Qualität der Kirchlichen Unterweisung besser, d. h. kinder- und jugendgerechter geworden ist. Auch wenn Jugendliche die KUW wohl kaum als "cool" bezeichnen würden, sind sie durchaus an religiösen (eher weniger an kirchlichen) Themen und Fragen interessiert.

Entscheidend für ein nachhaltiges Gelingen der KUW ist und bleibt, dass es Unterrichtenden gelingt, eine tragfähige (professionell reflektierte, nicht anbiedernde) Beziehung zu Kindern und Jugendlichen aufzubauen und letztere im Rahmen der Unterrichtsprozesse bei ihren Gefühlen, Themen, Fragen und Nöten abzuholen: KUW muss mit der Lebenswelt und den Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen etwas zu tun haben! Diese erinnern sich oft nicht in erster Linie an die vermittelten Inhalte, sondern vielmehr an verbindende Erlebnisse, z. B. an Nachtwanderungen, an Brot, das sie gemeinsam gebacken und an Beziehungen, die sich dabei entwickelt haben.

Die Kirchliche Unterweisung muss sich in der modernen Gesellschaft behaupten. KUW kann ein Gegengewicht zu extremer Leistungsorientierung bilden, das heisst aber nicht, dass alles erlaubt ist und nichts gefordert wird. Zentral ist die christliche Grundbotschaft, dass alle Menschen so angenommen sind, wie sie sind. Auch in der KUW gilt, dass reformierte Christinnen und Christen gemeinsam eine Weg- und Suchgemeinschaft bilden.

Alfred Arm / Renate Begré