Pfarrhauskäufe – eine finanzielle, aber auch eine Ortsbild- und sogar eine Mutfrage

Bis 2010 wechselten 69 Pfarrhäuser ins Eigentum der Kirchgemeinde

Mit der 2002 eingereichten Motion Bichsel/Bieri wurden vielerorts im Kanton Bern grosse Steine ins Rollen gebracht. Notabene: Die Pfarrhäuser hatten früher bereits der Kommune gehört, dann übernahm sie der Kanton zusammen mit der Pflicht, die Pfarrer zu entlöhnen. Jetzt aber konnten die Kirchgemeinden eine Art "Rückkauf" tätigen. Nur: Damit waren heikle Fragen verbunden. 

Bei den Kirchgemeinden, die ein Pfarrhaus erwarben, erhöhte sich mitunter das Risiko. "Es gibt mehrere Beispiele, in denen sich nach dem Kauf infolge von Renovationen und Unterhalt spürbare Belastungen ergaben", sagte Willy Oppliger, Leiter Zentrale Dienste der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, in einem Gespräch. Oppliger sprach von einer Blackbox, weil nicht alles früh genug abschätzbar war. Es gab sogar Fälle, in denen mehr in die Renovation gesteckt werden musste als vorher in den Kauf. "Bei einigen zeigte sich das erst spät."

Nicht alle Kirchgemeinden haben sofort zugesagt. Einzelne von ihnen sagten zuerst Nein, weil sie den Renovationsbedarf erkannten, und erst später Ja, nachdem der Kanton einige Arbeiten in Gang gesetzt hat, ohne diese auf den Verkaufspreis zu schlagen. Der Kanton half also aktiv mit. In einigen Fällen kam es zu einem langen Hin und Her, so in Wangen an der Aare.

Bis 2010 wechselten im Kanton Bern 69 Pfarrhäuser ins Eigentum der Kirchgemeinde. Ab 2011 folgten einige weitere Käufe.

Finanzausgleich mitbetroffen

Ein Hemmschuh konnten die denkmalschützerischen Auflagen sein. Was konnte sich da langfristig noch ergeben? Wäre allenfalls der Kanton die besser geeignete Instanz für die Erhaltung von Kulturgut, er hat ja in seiner eigenen Verwaltung die entsprechende Fachkompetenz?

Es ergaben sich auch Verknüpfungen mit dem kircheninternen Finanzausgleich. Würde er allenfalls überlastet? Hier zeigte sich, dass glücklicherweise genug Reserven da waren, um diesbezügliche Lasten auffangen zu können. Unter den Gemeinden, die ihr Pfarrhaus erwarben, gab es auch einige, die auf der Nehmerseite des Finanzausgleichs standen, aber nun investieren mussten. Nun gab der Finanzausgleich nicht nur für den Kauf Mittel her, sondern auch für die Renovation.

Ortsbild …

Neben solchen Fragen gab es selbstverständlich auch solche nichtfinanzieller Art. Nach dem Kauf konnte die Kirchgemeinde den Bau ihr eigen nennen, es wirkte ihr eigener Pfarrer darin, sie konnten fortan darüber verfügen. Vielfach gehört das Pfarrhaus zu einer ganzen Baugruppe, zusammen mit der benachbarten Kirche, sehr schön etwa in Grafenried-Fraubrunnen. Das Ensemble von Kirche, Pfarrhaus und Kirchhof ist – wie auch Meikirch zeigt - meistens von der Idee und vom Ortsbild her eine wichtige Angelegenheit. Da hätte ein Pfarrhaus-Verkauf an Dritte Störungen heraufbeschwören können. Im Falle des Schlossberges in Thun kam es zu beidem: Ein Gebäude ging an die Kirchgemeinde, ein zweites an Aussenstehende.

… und Residenz

Sogar die Neuregelung der Residenzpflicht spielte hinein (vgl. auch Bericht von Hansruedi Spichiger). Deren Lockerung konnte bedeuten, dass das Pfarrhaus umso leichter an Dritte gehen konnte. Damit gab sich der Kanton gewissermassen freie Hand, sagte man sich. Solange eine Residenzpflicht bestand, war die Kirchgemeinde sicher, nun wirkte sich die Neuregelung direkt aus – für die einen eben als Lockerung, für die andern aber als Druck.

Als in Trub der Pfarrer erklärte, das Haus sei für ihn nicht bewohnbar, musste er bei der Kirchgemeinde um Entlassung aus der Residenzpflicht nachsuchen. Die Befreiung wurde denn auch beschlossen. Da konnte der Kanton über das bisherige Pfarrhaus an sich frei verfügen.

Eine Wertanlage?

Eine Wertanlage im eigentlichen Sinne waren und seien die übernommenen Pfarrhäuser so gut wie nie, erklärte Willy Oppliger. Belegung, Renovationslasten, Residenzpflicht, das engt die Möglichkeiten ein. Reale Aufwendungen und Abschreibungen schlagen sich deutlich nieder. Und auch die Tatsache, dass die Vermietung an die Pfarrperson in der Höhe vorgegeben war und ist, deutet in diese Richtung.

Innerhalb des Budgets einer Kirchgemeinde konnte und kann ein eigenes Pfarrhaus eine gewisse Verdrängung bewirken. Wenn bei einem Budget von CHF 750'000 allein das Pfarrhaus CHF 60'000 kostet, muss das Folgen haben. "Wo man ein Pfarrhaus erwarb, war meistens auch eine Portion Mut dabei", sagt Oppliger. Die Landeskirche mischte sich nicht ein, sondern machte nur auf diesen oder jenen Aspekt aufmerksam.

Ronald Roggen

Kirchgemeinde Bleienbach.

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