Residenzpflicht

Als die Obrigkeit 1804 die Kirchengüter in ihre Verwaltung nahm und sich verpflichtete, die Pfarrer zu besolden, galten das Pfarrhaus und der dazu gehörige Umschwung als naturaler Lohnanteil. Diese Regelung blieb bis zur Änderung des Kirchengesetzes per 1. Juli 1996 bestehen.

Allerdings bröckelte das Prinzip bereits ab der Mitte des letzten Jahrhunderts immer mehr, indem die Barlöhne zunehmend in eine mit andern Personalkategorien vergleichbare Höhe angehoben wurden und im Gegenzug eine Gehaltsreduktion für bezogene Naturalien vorgenommen wurde. Da diese Regelung zunehmend kaum mehr verstanden wurde, erfolgte mit der Gesetzesrevision eine Entflechtung des überlieferten Systems. Seitdem wird zwischen dem ordentlichen Gehalt und der Dienstwohnung mit Dienstwohnungspflicht unterschieden. 

Im Sinne des Gesetzes bedeutet die Dienstwohnungspflicht zwei Verpflichtungen:

  • Die Kirchgemeinden sind verpflichtet, für jede Pfarrperson eine Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen und
  • die Pfarrpersonen sind verpflichtet, in der zur Verfügung gestellten Dienstwohnung Wohnsitz zu nehmen. Dafür leisten sie eine Abgabe, welche tiefer ist als eine Marktmiete, weil ihnen die freie Wahl des Wohnsitzes verwehrt ist.

Im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen gerieten diese Regelungen zunehmend unter Druck:

  • Die markante Zunahme von teilzeitlicher Arbeit wirkt belastend auf die Kirchgemeinden aus, da mehr Dienstverhältnisse errichtet werden müssen und demzufolge mehr Dienstwohnungen bereitzustellen sind. Zunehmend begannen sich Kirchgemeinden gegen die Mehrbelastung zu wehren. 
  • Andererseits zeigen sich insbesondere auch teilzeitlich arbeitende Pfarrerinnen und Pfarrer immer weniger bereit, eine Dienstwohnung zu beziehen. Oft machen sie familiäre Gründe geltend.

In der Folge nahmen die Gesuche um Befreiung von der Residenzpflicht während der Berichtsperiode um knapp 50 % zu. Während der Berichtsperiode dürften die Befreiungen um rund 50 % angestiegen sein.

Zur Eindämmung der stark zunehmenden Gesuche verständigten sich Kirche und Staat auf vier messbare Kriterien, welche als „wichtige Gründe“ im Sinne des Gesetzes eine Gesuchsstellung rechtfertigen können: 

  • gesundheitliche und ärztlich attestierte Gründe,
  • ein Beschäftigungsgrad von weniger als 60 %,
  • der Erwerb von Wohneigentum als Alterswohnsitz (kurz vor Pensionierung),
  • wenn zwei Ehepartner je zu einer gesonderten Dienstwohnungsnahme verpflichtet sind.

Dennoch führte die knapp ausformulierte gesetzliche Grundlage dazu, dass die Bestimmung der Dienstwohnungspflicht unterlaufen wurde, indem Kirchgemeinden zunehmend Diensträume zentral konzentrierten und den Pfarrpersonen gestatteten, sich eine private Wohnung zu suchen, welche dann zur Dienstwohnung erklärt wurde. Eine solche entspricht aber nicht mehr einer Dienstwohnung und rechtfertigt auch keinen vergünstigten Dienstwert. Deshalb erfolgten mit der Gesetzesrevision per 1.1.2012 klarere Regelungen.

Hansruedi Spichiger

 

vgl. auch Bericht zu den Pfarrhauskäufen