Hoffnung stiften - Regionale Entwicklung fördern

Was macht die Kirche im Naturpark?

Die Präsidentin eines ländlichen Bezirkes staunte nicht schlecht, als sie erfuhr, dass der Bund und der Kanton für einen Teil ihres Bezirkes beträchtliche Mittel zur nachhaltigen Entwicklung zur Verfügung stellen.

Noch mehr staunte sie, dass die gesamtkirchlichen Dienste, konkret der Bereich Gemeindedienste und Bildung mit "ihrem" regionalen Naturpark kooperieren, und Kirchgemeinden und Bezirke bei einer Zusammenarbeit mit den Pärken unterstützen. "Endlich einmal fliessen Gelder in unsere Region, die sinnvoll eingesetzt werden können! Und dass die Kirche mit dabei ist, freut mich besonders!" Ihre Reaktion zeigt: Der ländliche Raum braucht Hoffnung. Und die Kirche ist eine geeignete Partnerin, wenn es um hoffnungsstiftende Zeichen und Aktionen geht.

Nicht nur kirchliche Akteure staunen, dass die Kirche sich an regionalen Entwicklungsprozessen beteiligt. Fachpersonen wundern sich jeweils im ersten Moment über die Präsenz kirchlicher Mitarbeiter/innen an Veranstaltungen zu regionalentwicklerischen Themen. Zuerst heisst es oft: "Was wollen die hier?" Nach kurzen Gesprächen bemerken sie aber meist, dass die Kirche mit ihren vielfältigen Verbindungen eine geeignete Partnerin für ihre Aktivitäten zu Gunsten der Entwicklung verschiedenster Räume sein kann. Zum Abschied hören wir des Öfteren "Wieso sind wir nicht selbst darauf gekommen, die Kirche einzubeziehen?"

Wirtschaftsethik für den ländlichen Raum

Wie kam es aber dazu, dass sich die Kirche in einem Bereich engagiert, in dem keiner mit ihr rechnete?

Seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts beschäftigte sich die Kirche auf vielfältige Weise mit ökonomischen Themen.  Die Wirtschaftsethik kam erst später dazu. Am Ende des letzten Jahrtausends, als in St Gallen etwa ein Lehrstuhl für Wirtschaftsethik eingerichtet wurde (notabene auf Bestreben der Kirchen...), wurde das Thema Wirtschaftsethik auch für die Berner Kirche ein Thema (siehe auch Interview mit Lukas Schwyn, ehemals Leiter der Fachstelle Gesellschaftsfragen der Ref. Kirchen Bern-Jura-Solothurn).

Die Aktivitäten in diesem Gebiet entwickelten sich in viele verschiedene Richtungen. Darunter war auch der Einsatz für die Aufwertung des ländlichen Raumes. Im globalen Kontext (Entwicklungszusammenarbeit) fand das schon lange statt, im regionalen Kontext war das neu. Neben dem Einsatz für eine sozial verantwortliche Wirtschaft, für gefährdete Jugendliche auf der Schwelle ins Erwerbsleben und den Fragen der Globalisierung (siehe auch Interview Lukas Schwyn) entwickelte sich aus den wirtschaftsethischen Fragestellungen heraus auch ein Mitwirken der Kirchen bei regionalentwicklerischen Fragestellungen.

Walter Roher, Irene Richheimer, Regula Zähner, Ralph Marthaler, Thomas Schweizer.

Rückzug des Service Public - die Kirche bleibt vor Ort

Ein Ausgangspunkt für die Frage, wie die Kirche zu einer Stärkung des ländlichen Raum beitragen kann, war der Rückzug des Service Public ab den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Poststelle geriet in Gefahr, das Postauto war nicht mehr sicher, Unterstützungen für Infrastrukturprojekte gerieten in Diskussion und wurden gekürzt, die Förderung einer auf Wirtschaftsleistung ausgerichteten Agglomerationspolitik rückte ins Zentrum. Nur die Kirche, die blieb vor Ort. Die blieb verlässlich.

Wie sollte sie ihre Rolle ausfüllen? Sollte sie Trauerbegleiterin für leidende Regionen sein? Oder sollte sie sich als Kraft der Hoffnung etablieren, die  entstehende neue Netzwerke und initiative Gruppen unterstützt? Die Ref. Kirchen Bern-Jura-Solothurn entschieden sich für den zweiten Weg und versuchten, in unterschiedlicher Intensität und unterschiedlichsten Rollen, die Kirchen als Partner für initiative neue Projekte zu etablieren und die Kirchgemeinden für die Fragen rund um die regionale Entwicklung in ihrer Umgebung zu sensibilisieren und zu einer aktiven Rolle zu motivieren.

Exemplarisch für die Bedeutung, welche die Kirche auf dem Land im Synodalgebiet besitzt, ist die Arbeitsgruppe Landwirtschaft und Kirche im Bezirk Schwarzenburg, die sich seit mehr als 15 Jahren für die Fragen rund um Bewahrung der Schöpfung, Stärkung des ländlichen Raums, Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe und Partnerschaft zwischen Stadt und Land einsetzt. Aus ihr sind unterschiedlichste konkrete Projekte (z.B. die berühmten Globusfrauen aus der Region, die Weihnachtsgüetzi vor dem Globus in Bern verkaufen) hervorgegangen.

Die Arbeitsgruppe zeigte schon früh auf, dass die Kirche eine tragende Rolle im ländlichen Raum übernehmen kann und Initiativen starten oder unterstützen kann, die hoffnungsstiftende Akzente in ländlichen Regionen setzen. Es ist wohl nicht vermessen zu sagen, dass die Arbeitsgruppe Landwirtschaft und Kirche entscheidend zum Gelingen des regionalen Naturparks Gantrisch beigetragen hat.

Die Kirche übernimmt als eine der letzten in Stadt und Land verlässlich vertretene Institutionen eine wichtige Identitäts- und Brückenfunktion im Synodalgebiet. Sie muss diese Funktion auch in Zukunft geschickt nutzen. Zum Wohle der Bewohner/innen des ländlichen und des städtischen Raumes.

Einfluss durch Teilnahme

In der Einleitung dieses Artikels verweise ich darauf, dass die Kirchen nach einem Moment des Zweifels, als potentiell hilfreiche Partnerorganisation erkannt werden. Allerdings, je konkreter die Arbeit wurde, desto herausfordernder wurde es manchmal, den gegenseitigen Nutzen auch zu erkennen. Die kirchlichen Vertreter mussten sich als demokratie- und konsensfähig erweisen, sie mussten immer wieder über ihren Schatten springen, und sich den Spielregeln der finanziell potenteren Organisationen ein Stück weit anpassen. Die Kirchen werden zu Teilnehmenden, zu einem Teil eines grösseren Ganzen.

Und das ist gut so. Die Kirche nimmt Teil, ist Teil eines gesamtgesellschaftlichen Engagements für die Entwicklung zum Wohle der Menschen vor Ort. Dadurch, dass sie Teil ist, kann die Kirche auch ihre Werte einbringen. Werte wie den Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, die nahe an des Werten der nachhaltigen Entwicklung sind und die Menschen ins Zentrum stellen und Hoffnung für den ländlichen Raum fördern.

Es gehört zu einer gesellschaftlichen Entwicklung, dass die Kirchen eine partizipierende Rolle einnehmen, in einer Zeit, da die Mitgliederzahlen zurück gehen und die kirchliche Stimme nicht mehr gar so laut gehört wird. Und es ist gut so, dass sich die Kirchen weiterhin einmischen und mit verändern. Insofern könnte der partizipierende Weg in Regionalentwicklungsprojekten mit der Zeit Vorbildfunktion bekommen. Vorbildfunktion für eine partizipierende Kirche, die konkrete Veränderungen im Zusammenspiel mit potenten Partnern erreicht. So wie die Kirche das in der Entwicklungszusammenarbeit und bei sozialen Themen schon lange tut.

Beispiele für Projekte und Arbeitsfelder, in denen die Kirchen in den vergangenen zehn Jahren mitwirkten, finden Sie in den Beiträgen zu den Naturpärken, dem Pilgern und dem Eggiwiler Symposium.

Kirchliche Regionalentwicklung

Die Kirche kann aber nur ein aktiver Teil in der Region sein, wenn sie sich selbst auch als regionalen Player versteht. Wenn der eigene Kirchturm das einzige Zentrum des christlichen Lebens ist, ist es schwierig, zusammen mit den Nachbargemeinden Verantwortung für eine Region zu übernehmen. Ein wichtiger Teil der Arbeit der gesamtkirchlichen Dienste war es daher in den vergangenen 6 Jahren (und wird es auch in den kommenden zehn Jahren bleiben), die Gemeinden auf einem Weg in die Region zu begleiten. Der programmatische Titel einer Tagung zum Thema Kooperation hiess denn auch "Gemeinde im Zentrum - Region im Blick".

Der Synodalrat hat sich in seinem Legislaturprogramm 2012-15 die Förderung des Zusammenspiels von Stadt und Land und der eigenen Regionalentwicklung zum Ziel gesetzt. So wird das Engagement der Kirche beim Thema regionale Entwicklung auch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Und das ist gut so. Damit die eingangs zitierte Bezirkspräsidentin noch ein paar mal staunen kann, wo die Kirche überall dabei ist, Teil ist: Mitten drin in den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.

Ralph Marthaler