Portrait zum Haus der Religionen – In der Gesellschaft angekommen

Entstehungsprozess des Berner Hauses der Religionen

Vision, überzeugte Verfechter, kluge Strategien.

Die Geschichte des Berner "Hauses der Religionen – Dialog der Kulturen" beginnt 1998 und erreicht seinen vorläufigen Höhepunkt mit dem Spatenstich am 27. Juni 2012. Fünf  Religionsgemeinschaften der Christen, Aleviten, Buddhisten, Muslime und Hindus werden hier ihre Heimat finden. Das Haus umfasst mit dem Bereich Dialog, an dem sich auch Baha’i, Juden und Sikhs beteiligen, 3 300 Quadratmeter Bruttogeschossfläche und kostet rund 10 Mio. Franken. Der folgende Text beschäftigt sich mit Prozessen resp. Erfolgsfaktoren des Projekts:

Vision: Eine Image-Studie des Stadtplanungsamtes Bern schlug ein in der Schweiz bisher einzigartiges Haus der Kulturen und Religionen vor. Die Vision kommt zur richtigen Zeit, findet u.a. mit der Herrnhuter Brüdergemeine die richtigen Leute mit der nötigen Überzeugungskraft und den richtigen Ort.

Verbündete: Dem Projekt gelang es, mit einer laufend erweiterten Bündnispolitik nicht nur Vertreterinnen und Vertreter der reformierten und der katholischen Landeskirchen und anderer Religionsgemeinschaften zu begeistern, sondern auch Personen mit Beziehungen zu Politik, Wirtschaft und Stiftungen.

Öffentlichkeitsarbeit: Mit regelmässigen "Fête KultuRel und "Nächten der Religion" zeigt der Verein mit wechselnden Partnern und Plätzen, provisorischen Standorten und mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, worum es ihm konkret geht – ein gelungenes Beispiel nachhaltiger soziokultureller und religiöser Vernetzung und Einwirkung auf und mit gesellschaftlichen Prozessen.

Dialog: Die Beteiligten erarbeiteten sich an provisorischen Standorten und mit Aktionen Erfahrungen, Know How und Beziehungen, welche einen fruchtbaren Dialog und das Zusammenleben der Religionsgemeinschaften möglich machen.

Fundraising: Dank der Stiftung "Europaplatz – Haus der Religionen", den Stiftungsräten mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und begeisterten Vereinsmitgliedern gelang es, die nötigen 10 Millionen zusammenzubringen.

Demokratische Legitimation: Das Haus der Religionen ist als Verein organisiert und funktioniert demnach demokratisch, ebenfalls die darin einbezogenen Religionsgemeinschaften. Sechs Parlamente sagten JA zu den nötigen Geldern für das Projekt: Die Parlamente des Kantons und der Gemeinde Bern, die katholische und reformierte Gesamtkirchgemeinde Bern, die Synode der reformierten Kantonalkirche und der grosse Burgerrat der Burgergemeinde Bern.

Der folgende Artikel ist nicht immer chronologisch, sondern geht thematisch geordnet Prozessen nach. Die detaillierte Chronologie ist im Kasten "Meilensteine 1998 – 2012" zu finden.

Eine Vision zur richtigen Zeit

"Hartmut Haas ist die Schlüsselperson des Projekts. Er trug und trägt ein Elefantengewicht", sagt Gerda Hauck, die seit 2007 als Präsidentin des "Vereins Haus der Religionen – Dialog der Kulturen" amtiert. Geben wir also zuerst ihm das Wort:

Für Hartmut Haas beginnt die Geschichte des Hauses der Religionen im Jahr 1998, als die Herrnhuter Brüdergemeinde in Basel zusammen sass und überlegte, wie es mit der seit 1740 existierenden Herrnhuter Sozietät in Bern weitergehen solle. Die Herrnhuter sind eine evangelische Freikirche mit Ablegern in 30 Ländern. Sie sind vergleichbar mit den übrigen reformierten Kirchen und betonen die ökumenische Einheit aller Christen in der Gestalt Jesu Christi. Als grosse Thematik erkannte die Arbeitsgruppe Friedensarbeit der Herrnhuter:

"In einem sozial problematischen und von Minderheitengruppen durchmischten Quartier der Stadt Bern soll ein aktiver Beitrag zur Integration von ethischen und religiösen Minderheiten in das etablierte Leben der Stadt geleistet werden." In kreativer Weise sollte ein Forum geschaffen werden, "in dem sich Minderheiten darstellen, sich begegnen und voneinander lernen können."

"Noch in der jetzigen Arbeit", so Hartmut Haas heute, "erkenne ich diese Grundintention von damals". Mit dieser Skizze besuchte der Vorgänger von Hartmut Haas, Friedemann Hasting, Albert Rieger von der OeME-Fachstelle und Samuel Lutz als Präsident des reformierten Synodalrates, der kantonalen Kirchenregierung. Es gab "positive Rückmeldungen und ergänzende Ideen", womit das Papier konkretisiert wurde. "Wir waren euphorisch", erinnert er sich und zog im Auftrag seiner Kirche mit seiner Familie im August 2000 nach Bern um.

Bemerkenswert: Parallel zu den Herrnhuter entwickelte eine andere Stelle eine ähnliche Idee. Der Autor und Stadtplaner von Bern, Christian Jaquet, schlägt 1998 in einer Image-Studie über Bern West unter anderem "ein in der Schweiz einzigartiges Haus der Kulturen und Religionen" vor.

Vielseitige und engagierte Verbündete

"Die OeME-Fachstelle der reformierten Kantonalkirche war von allem Anfang an eine sichere Verbündete", erinnert sich Hartmut Haas. Von katholischer Seite kam auch die "Kirche im Dialog" dazu.

Am 30. November 2000 diskutierte der "Runde Tisch der Religionen" in Bern die Idee eines Hauses der Religionen und Kulturen. Am Runden Tisch sind fünf grosse Weltreligionen vertreten: Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum. Stadtplaner Christian Jaquet und Hartmut Haas waren als Gäste eingeladen. "Der Runde Tisch ist bereit, dieser Vision auf die Beine zu helfen", ist im Protokoll zu lesen. Der Runde Tisch bildete daraufhin eine sechsköpfige Projektgruppe.

Marco Ryter von bauart Architekten war früh an Bord des Projekts. "Er ist ein Idealist, der viel Zeit und Geld in das Projekt investierte", wertschätzt ihn Gerda Hauck. Dank ihm gab es eine Machbarkeitsstudie, eine professionelle Standortevaluation und erste Pläne.

Dank der visionären Überzeugung und des unermüdlichen Engagements einer Projektgruppe und weiterer Personen kam es im April 2002 zur Gründung des "Verein Haus der Religionen – Dialog der Kulturen". Hartmut Haas wird deren geschäftsführender Präsident. Im Mai 2002 bereicherte zum ersten Mal das Fête KultuRel das Kulturleben der Stadt Bern, ein viertägiges Fest der Kulturen und Religionen. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wirkten mit.

In der reformierten Kantonalkirche setzte sich dank der Überzeugungsarbeit von Albert Rieger von der OeME-Fachstelle immer mehr die Überzeugung durch, dass das Haus der Religionen unterstützungswürdig ist.

Wesentlich für den späteren Erfolg waren auch der Optimismus und die Begeisterung beteiligter Personen. "Ich war immer der Überzeugung: Das Haus der Religionen kommt! Es ist ein Projekt für unsere Zeit und für diese Gesellschaft", sagt Gerda Hauck. Der Verein fand auch in allen nötigen Bereichen Menschen, die über Schlüsselqualifikationen verfügten und sich als Brückenbauer zur Verfügung stellten.

Dynamische Öffentlichkeitsarbeit: Konkret zeigen, was gemeint ist

Mit regelmässigen Programmen und interreligiösen Grossveranstaltungen, den Fêtes KultuRel, "wunderbare – auch inhaltsreiche - grosse Feste", wie Hartmut Haas dazu sagt, zeigte der Verein ganz praktisch, was interreligiöser Dialog bedeutet. Das erste Fête KultuRel erblickte im Mai 2002 das Licht der Welt; am 30. August bis zum 2. September 2012 war es bereits das sechste. Die Feste dienten dazu, die Zusammenarbeit unter den Religionsgemeinschaften zu erproben, das Haus der Religionen zu propagieren und Prominenz, die das Haus unterstützte, eine Plattform zu bieten.

Die jährliche Nacht der Religionen führte der Verein zusammen mit Partnern und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen Region Bern AKiB seit 2008 durch. "Das hat uns ebenfalls ein breites Publikum erschlossen", bilanziert Gerda Hauck. "Von Anfang an war klar: Der Dialog funktioniert nur, wenn wir uns breit öffnen. Einfach eine interreligiöse Kuschelecke kam für uns nie in Frage."

Von grösserer Wichtigkeit waren auch anerkannte CAS-Ausbildungen des Vereins in "Mediation und Kommunikation im interkulturellen und interreligiösen Kontext". "Damit ist die Bereitschaft, ein für alle neues Wagnis einzugehen, enorm gewachsen", schätzt Gerda Hauck.

Die Öffentlichkeitsarbeit erbrachte erfreuliche Früchte: Schulen, die Universität Bern, KUW-Klassen, Betriebe und Organisationen begannen immer mehr nach Dienstleistungen des Vereins zu fragen oder suchten die Begegnung.

2004 wurde der Europaplatz als Standort klar und dass hier eine Mantel-nutzung nötig sein wird. Im Zentrum des Mantels liegt das Haus der Religionen, das total 3 300 Quadratmeter Bruttogeschossfläche umfassen soll, 17 Prozent der Gesamtüberbauung.

Der grösste Stolperstein: die Finanzierung

Ganz grundlegend war das langjährige finanzielle Engagement der Herrnhuter, die über etliche Jahre hinweg den wesentlichen Teil der Personalkosten des Vereins trugen. Ab 2004 schlossen die Reformierten Kirchen Bern, Jura und Solothurn einen Leistungsvertrag mit dem Verein Haus der Religionen ab und beteiligte sich an den Betriebskosten des Vereins.

Als grösster Stolperstein erwies sich jedoch die Finanzierung des Baus. Nach der ersten Baueingabe 2005 fehlten die finanziellen Player fast vollständig. Im März 2006 wurde auf Vorschlag des Juristen Guido Albisetti die Stiftung "Europaplatz – Haus der Religionen" gegründet. Diese war fortan für die Finanzierung des Hauses der Religionen zuständig. Dem Verein kam nun die Verantwortung für den der Innenausbau und die Regelung der künftigen Nutzung des Hauses zu.

Die Gründung der Stiftung war ein entscheidender Schritt, denn nun engagierten sich bekannte Persönlichkeiten mit Beziehungen zu Politik und Wirtschaft für das Projekt: Der Jurist Guido Albisetti als Präsident, der damalige Kultursekretär der Stadt Bern, Christoph Reichenau, die damalige Regierungsstatthalterin Regula Mader und Alt-Stadtpräsident Klaus Baumgartner. Die damalige Integrationsbeauftragte der Stadt Bern, Gerda Hauck, ist ebenfalls im Stiftungsrat; sie bildete als Präsidentin des Vereins Haus der Religionen das Bindeglied zur Stiftung. 

Zusammen mit bauart Architekten hat die Stiftung eine Ausschreibung veranlasst. Sie wählten das Generalunternehmen Halter AG aus Zürich aus, die nun gemeinsam mit der Stiftung das ganze Gebäude baut. Die Halter AG kam zum Zug, weil sie sich klar zum Haus der Religionen bekannte. "Ja, sie setzte das Projekt bei der Vermarktung sogar als Verkaufsargument ein", freute sich Gerda Hauck. "Mit diesem Schritt waren wir endlich in der Gesellschaft angekommen."

Nachdem 2005 die bauart Architekten die Kosten des Hauses der Religionen noch auf 6-7 Mio. geschätzt hatten, kamen nun die Planer der Generalunternehmung Halter AG auf 10 Mio. Der notwendige Rest, der Mantel des Hauses der Religionen, wird von der Halter AG gemäss Guido Albisetti auf rund 65 Millionen Franken veranschlagt.

2009/10 geriet das Projekt in eine Finanzierungskrise. Stiftungspräsident Guido Albisetti erlebte das so: "Wir schrieben in dieser Zeit 150 Stiftungen an, aber alle sagten höflich und aus verschiedensten Gründen ab." Erst Ende 2009 erklärte sich die Rudolf und Ursula Streit-Stiftung als einzige Institution bereit, sich mit 1 Mio. Franken am Bau zu beteiligen. Das genügte aber bei weitem nicht.

"Zu diesem Zeitpunkt wäre das Projekt fast gestorben", erinnert sich Hartmut Haas. Doch nun regt sich Widerspruchsgeist. "Das Projekt darf nicht am ‚blöden Geld’ scheitern", lautete unisono die Meinung im Verein, der nun seine Mitglieder mobilisierte. "Das löste eine unheimliche Dynamik aus", freut sich Guido Albisetti noch heute. Die Rudolf und Ursula Streit-Stiftung erhöhte ihren Beitrag auf 2,75 Mio. Weitere Stiftungen kamen dazu. Die reformierte und katholische Gesamtkirchgemeinde Bern stellte je eine Million als unbefristete und unverzinsliche Darlehen zur Verfügung. "Das war das motivierende Signal für den Kanton und für ganz viele, überaus grosszügige Einzelpersonen" schätzt Gerda Hauck. In kleineren und grösseren Beiträgen kamen 2,5 Mio. zusammen. Der Grosse Rat des Kantons Bern sagte "erstaunlich klar ja" (Guido Albisetti) zu den 2,2 Mio. aus dem Lotteriefonds. "In einem Schlusseffort überzeugten die Stiftung und ein Mitglied des kleinen Burgerrates die Gremien der Burgergemeinde Bern, den Rest von 0.9 Mio. zu spenden" – so zeichnet Stiftungspräsident Albisetti den erfolgreichen Abschluss der Finanzierung nach. Momentan, Mitte September 2012, zeigt der Spendenbarometer auf der Website die Summe von 9.995 Mio. Franken an.

Die reformierte Kantonalkirche hat die inhaltliche Arbeit des Projekts, deren Betriebs- und Personalkosten in den ersten Jahren mit einem Betrag von

40'000 Franken unterstützt und im Jahr 2012 diesen Betrag auf 60 000 Franken erhöht.

 

Zum Kompromiss bereite Religionsgemeinschaften

Hartmut Haas verhehlt nicht, dass es im Vereinsvorstand und mit Religionsgemeinschaften "heftige Diskussionen über die Funktion des Hauses" gab. Die idealistische Idee einer Universal-Moschee erwies sich als nicht realisierbar.

Der Verein Haus der Religionen wollte seine Zukunft mit Gruppen planen, die bereits bestehen, über Statuten, einen Vorstand und über Finanzen verfügen und eine gewisse Grösse aufweisen. "Die Verantwortlichkeiten mussten klar geregelt sein", betont Hartmut Haas.

Der muslimische Verein in Bern beispielsweise ist seit 2007 in das Haus der Religionen integriert. Der Verein funktioniert nach demokratischen Prinzipien. Rund zwei Drittel der Menschen stammen aus Ländern des Balkans. Der Imam Mustafa Memeti ist zu 40 Prozent von dieser Gemeinschaft angestellt.

Nicht alles verläuft nach den Wünschen der Religionsgemeinschaften. Mustafa Memeti gibt ein Beispiel: "Im geplanten Haus der Religionen bekommen wir einen Raum mit 520 Quadratmeter Grundfläche. Wünschbar wären 1000 Quadratmeter. Aber 520 Quadratmeter sind eben möglich, das ist auch gut." Mit der Lage des Baugrundstücks Richtung Südosten konnten die Architekten für die Muslime keine volle Ausrichtung nach Mekka erreichen. Dies kann später mit der Inneneinrichtung korrigiert werden.

Mustafa Memeti ist guten Mutes: "Eine gute Zusammenarbeit im Haus der Religionen ist das, was das Land und die heutige Zeit braucht. Wir wollen gegenseitiges Vertrauen aufbauen!" Offen ist für ihn noch die innere Ordnung im kommenden Haus der Religionen. Er ist optimistisch: "Wir werden Lösungen finden. Das Haus der Religionen ist ein wunderbares Projekt!"

Die Hindu Gemeinde Saivanerikoodam, die grossmehrheitlich aus Tamilen besteht fanden lange keinen guten Ort für ihren Tempel, meist nur Tiefgaragen oder Industriegebäude. Sasi Tharmalingam, ehrenamtlicher Priester der Hindugemeinschaft Bern und heute zu 60 Prozent im Haus der Religionen angestellt, sagt: "Wir mussten Kompromisse wegen der Bauordnung eingehen und bekommen nun rund 500 Quadtratmeter Grundfläche. Wir werden einen wunderschönen Tempel mit wunderschöner Aussicht  auf den Europaplatze einrichten. Wir sind sehr zufrieden!"

Am Anfang hatte Sasi Tharmalingam Mühe, das Projekt seiner Gemeinschaft zu erklären. Doch die verschiedenen Fête KultuRel und die Nächte der Religion halfen, "die anderen besser kennen zu lernen und sich gegenseitig zu respektieren". Nicht einfach seien die zeitlichen Begrenzungen und Absprachen mit anderen Religionsgemeinschaften. "Wenn wir vorher miteinander reden, kommt es gut", betont er.

"Bei den Religionsgemeinschaften sind wir auf Partner angewiesen, die bereit sind, mit allen Beteiligen gemeinsam einen Prozess durchzumachen", resümiert Gerda Hauck. "Die Schlüsselpersonen müssen bereit sein, die Mitglieder ihrer Gemeinschaft ins Projekt mitzunehmen." Bisher fanden sich immer Lösungen.

Der Durchbruch

"2011 brachte den Durchbruch", erinnert sich Hartmut Haas. "Es war ein unglaublich schönes Erlebnis, wie eine Türe nach der anderen aufging." Das "eigentlich Geniale" am Projekt Haus der Religionen: "Es ist das Resultat eines demokratischen Prozesses." Sechs Parlamente stellten sich mit deutlichen Mehrheiten dahinter:

  • das Parlament des Kantons Bern
  • das Parlament der Gemeinde Bern
  • die katholische und reformierte Gesamtkirchgemeinde Bern
  • die Synode der reformierten Kantonalkirche
  • der grosse Burgerrat der Burgergemeinde

Es zeigte sich, dass eine reife, zeitgerechte Vision, Überzeugungskraft und der Faktor Zeit zentral in gesellschaftspolitischen Prozessen sind. Gerda Hauck: "Man muss sich selber ernsthaft engagieren und bereit sein, Knochenarbeit zu leisten. Der grösste Stolperstein kann die Ungeduld sein. Alle von uns anvisierten Akteure brauchten Zeit, damit die Idee in ihnen reifen und sie sich ideell und materiell exponieren konnten."

Doch das Ende der Geschichte des Hauses der Religionen ist noch nicht geschrieben, auch wenn alle erforderlichen Verträge unterzeichnet sind und der Baustart am 27. Juni 2012 erfolgt ist. Die Hausordnung und das konkrete Zusammenleben im Haus der Religionen müssen noch geschrieben und geregelt werden. Einige Religionsgemeinschaften verfügen noch nicht über genügend Geld, um ihre Räume einzurichten. Die Finanzen und der interreligiöse Dialog bleiben Thema.

Alfred Arm

Spatenstich am Europaplatz.
 

Haus der Religionen: Meilensteine 1998-2012

November 1998. Das Stadtplanungsamt veröffentlicht eine Image-Studie über Bern West. Der Autor und Stadtplaner Christian Jaquet schlägt u.a. ein "in der Schweiz einzigartiges Haus der Kulturen und Religionen vor."

1999. Die Herrnhuter Kirche will den interreligiösen Dialog in Bern in Partnerschaft mit OeME und den reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn fördern. Dazu wird das Mitarbeiter-Ehepaar Haas zunächst für fünf Jahre nach Bern berufen (ab 1. August 2 000).

30. Nov. 2000. Der Runde Tisch der Religionen ist gemäss Protokoll "bereit, der Vision eines Hauses der Religionen und Kulturen in Bern-Bümpliz auf die Beine zu helfen". Es wird eine sechsköpfige Projektgruppe gebildet.

April 2002. Der "Verein Haus der Religionen – Dialog der Kulturen wird gegründet. 22 Personen, die sechs Weltreligionen vertreten, sind anwesend. Hartmut Haas wird geschäftsführender Präsident.

Mai 2002. Das Fête KultuRel wird zum ersten Mal durchgeführt, ein viertägiges Fest der Kulturen und Religionen. Die Berner Bundeskanzlerin Huber-Hotz, Schriftsteller Franz Hohler, Künstler Hans Schöpfer und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wirken mit und propagieren die Idee.

Dezember 2002. In Zusammenarbeit mit Religionsvertretern und bauart Architekten wird eine Machbarkeitsstudie mit einem Raumprogramm erstellt und an einer sehr gut besuchten Veranstaltung im Kornhaus Bern präsentiert.

2003: "Dreamtime" rund um das Haus der Religionen. Die Architekten studieren Grundlagen sakraler Architektur in den verschiedenen Weltreligionen.

März 2003. Mit Unterstützung der Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz, der Berner Gemeinderätin Edith Olibet und Vertretern der Kirche wird eine Finanzierungskonferenz durchgeführt, allerdings ohne nachhaltige Wirkung.

Frühjahr 2003. Der Gemeinderat der Stadt Bern wird nach geeigneten Standorten angefragt. Drei von sieben vorgeschlagenen Standorten werden vom Verein näher untersucht, u.a. auch der Europaplatz.

Frühjahr 2004. Der Schlussbericht von bauart Architekten mit einer Standortanalyse liegt vor. Der Europaplatz ist klarer Favorit.

September 2004. Das Konzept der Überbauung des Europaplatzes wird von den bauart Architekten mit Modellen und Plänen am Fête KultuRel vorgestellt.

Ab 2004. Die Reformierte Kirche Bern-Jura-Solothurn beteiligt sich am Betriebskredit, d.h. an den Personalkosten des Vereins, zuerst mit 40 000 und ab 2012 mit 60 000 Franken.

Sommer 2005. Nachdem der Gemeinderat der Stadt Bern den Grundzügen einer Rahmenvereinbarung zugestimmt hat, wird das Baugesuch eingereicht.

18. März 2006. Die Stiftung Europaplatz – Haus der Religionen wird gegründet. Der Jurist Guido Albisetti amtet seither als Präsident, die Stiftungsräte verfügen über gute Beziehungen zu Politik und Wirtschaft. Die Stiftung übernimmt die bauseitige Verantwortung.

2006: Das Projekt ist in einer schwierigen Phase. Es zeigen sich Zwänge räumlicher und materieller Art. Die idealen Erwartungen werden mit der Realität konfrontiert. Optimierungen beim Hindu-Tempel und bei der Moschee sind nötig.

Sommer 2006. Das 3. Fête KultuRel wird durchgeführt. Die Architekten von bauart/urbanoffice informieren mit einem neuen Modell über das Projekt. Der Verein erhält den Integrationspreis der Stadt Bern.

11. April 2007. Im Beisein des Berner Stadtpräsidenten kann die Baubewilligung für das gesamte Projekt verkündet werden.

1. Halbjahr 2007. Der Verein befindet sich in einer Krise. Sehr grosse Ansprüche erschweren die Suche nach realitätsnahen Lösungen. Gerda Hauck übernimmt an der Jahresversammlung das Präsidium des Vereins, Hartmut Haas, bisher geschäftsführender Präsident, bleibt Geschäftsführer.

Ende August 2008. Fünf Religionsgemeinschaften unterzeichnen eine Erklärung zur Beteiligung am Bau. Weitere Religionen und kulturelle Institutionen erklären ihre Bereitschaft, verbindlich auf der Plattform "Dialog" mitzuwirken. Halter Entwicklungen AG aus Zürich steigt als Generalunternehmen in das Projekt Europaplatz ein. Der kommerzielle Mantel des Projektes umfasst 83 Prozent der Bruttogeschossfläche, das zentral gelegene Haus der Religionen 17 Prozent.

Oktober 2008. Mit neuen Statuten ist der Verein darauf vorbereitet, auch die volle betriebliche Verantwortung zu übernehmen.

Ganzes Jahr 2009. Der Verein führt an seinem provisorischen Standort an der Schwarztorstrasse erfolgreiche Ausstellungen, Seminare und Veranstaltungen durch. Erhebliche Sorgen bereitet die Finanzierung des Vereins. Die grösste Last tragen weiterhin die kleinen Gruppen der Herrnhuter in der Schweiz. Die Landeskirchen wägen ihr Engagement noch ab. Der Vorrang des Kommerziellen schafft neue Probleme.

November 2009. Die Rudolf und Ursula Streit-Stiftung erklärt sich bereit, sich im grösseren Umfang finanziell zu engagieren.

Februar 2010. Religionsgemeinschaften, Verein, Stiftung und Halter Entwicklungen einigen sich auf ein Nutzungslayout als Basis für eine Baueingabe.

29. April 2010. Die erneuerte Baueingabe wird den Medien vorgestellt.

Ganzes Jahr 2010. Die weiteren Finanzierungsgesuche verlaufen sehr enttäuschend.

2011. Die Finanzierung gelingt doch: Die Rudolf und Ursula Streit-Stiftung erhöht ihren Beitrag, zahlreiche Privatpersonen und kleinere Institutionen spenden, ebenfalls die Gesamtkirchgemeinden der katholischen und reformierten Kirche, der Kanton Bern und schliesslich auch die Burgergemeinde Bern.

Ende Juli 2011. Die Firma Halter AG bekommt die Baubewilligung. Bis Januar 2012 muss die Halter AG Konzept- und Finanzierungsfragen klären.

27. Juni 2012. Spatenstich zum Haus der Religionen am Europaplatz.

30. August bis 2. September 2012. Sechstes Fête KultuRel unter dem Motto "Lebenskunst".

Alfred Arm

 

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