Verstärkte Autonomie der Bezirkssynode Solothurn - vermehrte und strukturierte Zusammenarbeit zwischen Synodalrat und Bezirkssynode Solothurn

Im verflossenen Dezennium waren in den Beziehungen zwischen der Reformierten Kirche Bern-Jura und der Bezirkssynode Solothurn gewichtige interessante und bewegende Ereignisse und Situationen zu ver­zeichnen, namentlich:

  • Abstimmung über Gründung einer eigenen, auch die Kirchgemeinden der Bezirkssynode Solo­thurn umfassenden Solothurnkirche
  • Nach Ablehnung: Strukturreformen und Anpassung der Kirchenordnung
  • Neuer Kirchenname "Bern-Jura-Solothurn" für Aussenauftritte – Folgezeit des "courant nor­mal" in den Beziehungen
  • Solothurn-Motion für festen Synodalratssitz – Errichtung eines Kontaktgremiums

Abstimmung über Gründung einer eigenen, auch die Kirchgemeinden der Bezirkssynode Solo-thurn umfassenden Solothurnkirche

Zum zweiten Mal fand am 10. Juni 2001 eine gesamtsolothurnische kirchliche Abstimmung mit dem Ziel einer eigenen Kirchengründung statt. Ein erstes Mal war dieses Ansinnen im Jahr 1984 gescheitert. Ziel des Vorhabens 2001 war es gewesen, eine reformierte Kirche des Kantons Solothurn zu gründen und eine zu diesem Zweck erarbeitete neue Kirchenverfas­sung vorzulegen. Gemäss der regierungsrätlichen Ab­stimmungsord­nung wäre die neue Kirche dann zustande gekommen, wenn a) die Mehrheit der Stimmen­den der in der Synode der Evangelisch-re­formierten Kirche im Kanton Solothurn zusammengefassten Kirchgemeinen (unterer Kantonsteil) und b) die Mehr­heit der Stimmenden der Bezirkssynode (oberer Kantonsteil) dem Beitritt zur Evangelisch-reformier­ten Kirche zugestimmt haben. Im Abstimmungs­kampf wurde der Syn­odalrat zu vielen Informations­veranstaltungen eingeladen. An den meist kontradiktorisch geführten Dis­kussionen konnte hier von ihm auch dargelegt werden, dass "Bern" durchaus Leistungen erbringt, von denen die zum Synodalver­band Bern-Jura gehörenden solothurnischen Kirchgemeinden erheblich profi­tieren.

Die reformierte Bevölkerung der Bezirkssynode Solothurn entschied sich sodann, die seit der Reformation bestehenden und durch Staatsverträge immer wieder sichergestellten und historisch bewährten Verbin­dungen mit dem Kanton Bern und ihrem Synodalverband Bern-Jura weiterzuführen. Denn auch bei dieser zwei­ten Abstimmung in der Geschichte, vom 10. Juni 2001, wurde die Vorlage von den Stimmberechtig­ten des oberen Kantonsteils abgelehnt, wohingegen die Stimmberechtigten des un­teren Kantonsteils und des Schwarzbubenlandes mit 5625 Ja- zu 1064 Nein-Stimmen zustimmten. Im oberen Kantonsteil standen 4083 Ja-Stimmen 5344 Nein-Stimmen gegenüber, was ein klares Verdikt dar­stellte; die geplante Kanto­nalkirche kam nicht zustande.

Nach Ablehnung: Strukturreformen und Anpassung der Kirchenordnung

Gleichwohl zeitigte dieser Prozess auch Folgen, denn schon kurz nach der Abstimmung vom 10. Juni 2001 wurden die solothurnischen kirchlichen und staatskir­chenrechtlichen Strukturen erheblich verän­dert.

  • Der schon vordem bestehende "Verband evangelisch-reformierter Synoden des Kantons Solo­thurn" – dieser war insbesondere für die Verteilung des ihm gemäss Finanzausgleichsgesetz zu­fallenden Beitrages aus der Finanzausgleichssteuer zwischen den beiden (solothurnischen) Syno­den zuständig – war von der solothurnischen Gesetzgebung als "Kantonalorganisation der betref­fenden Konfession" zwingend vorgesehen. Er hätte sich nach dem Willen der Kirche im Kanton Solo­thurn auflösen sollen, die Solothurnkirche hatte nämlich den Austritt aus diesem Verband be­schlossen. Es erwies sich als nötig, eine Nachfolgeorganisation für diese gesetzlich vorgeschrie­bene Tätigkeit zu gründen.  Somit wurde von der Synode der Kirche im Kanton Solo­thurn und der Be­zirkssynode Solothurn am 9. bzw. 20. November 2002 eine neue Ordnung des Verbandes der evangelisch-reformierten Synoden des Kantons Solothurn verhandelt und beschlossen. Im Un­terschied zum vorangehenden Verband, der mehrere behördliche Ebenen umfasste und perso­nalintensiv war, ist der neue Verband  personell recht schlank; er besteht aus ei­nem pa­ritätisch zusammengesetzten Verbandsrat, dem zusammen vier Mitglieder angehö­ren, sowie ei­ner Rech­nungsprüfungskommission. Im weiteren können zur Wahrneh­mung ge­samtkantonaler Aufgaben Fachkommissionen eingesetzt werden.
  • Die Bezirkssynode Solothurn schuf sich im Jahr 2002 ein neues Organisationsreglement. Die­ses neue Organisationsreglement der evangelisch-reformierten Bezirkssynode trat an die Stelle des nur kurze Zeit in Kraft befindlichen "Reglements über die Or­ganisation der Zusam­menarbeit unter den Kirchgemeinden des kirchlichen Bezirks Solothurn" vom 29. Oktober 2001. Die Bezirkssynode Solothurn ist nach diesem Reglement erstmals ein öf­fentlich-rechtlicher Zweckverband (Gemein­deverband) nach solothurnischem Gemeinde­recht. Hierdurch er­langte die Bezirkssynode Solo­thurn neu Rechtspersönlichkeit, was es ihm ermöglichen sollte, auch eigenständige Zusam­menar­beitsverträge abzuschliessen.
  • Schliesslich wurden von der evangelisch-reformierten Kirchensynode Bern-Jura auch die Rechts­grundlagen in der Kirchenordnung vom 11. September 1990 angepasst, damit die Be­zirkssynode über eine verstärkte Autonomie verfügt. Insbesondere führte die Kirchensynode im Rahmen einer völlig unbestrittenen Beratung und Abstimmung den neuen Artikel 150a in die Kirchenordnung ein. Dieser Artikel lautet in seinen wichtigsten Bestimmungen: "Die Be­zirkssynode Solothurn hat eine Sonderstellung. Sie umfasst die acht Kirchgemeinden … [Nen­nung der Kirchgemeinden] ge­mäss dem Staatsvertrag zwischen Bern und Solothurn. Sie or­ganisiert sich als Gemeindeverband nach solothurnischem Recht und definiert dessen Aufga­ben. Die Bezirkssynode kann mit anderen solothurnischen kirchlichen Stellen, namentlich mit der Evangelisch-reformierten Kirche Kanton Solothurn, Verträge über die Zusammenarbeit abschliessen, etwa in Bezug auf das Unterrichtswe­sen …". Unter ande­rem wurde die Zuer­kennung der Teilautonomie in der Botschaft des Synodal­rates wie folgt begründet: "Die Be­zirkssynode ist darauf angewiesen, insbesondere die Unter­richtsangele­genheiten selbständig regeln zu können. Sie muss in die Lage versetzt werden, auch eigen­ständige Verhandlungen mit dem Kanton aufzunehmen, um eine Unterrichtsregelung zu er­arbeiten, die den solothur­nischen Gegebenheiten entspricht. Aber auch in anderen Berei­chen, wie z.B. der Anstalts­seelsorge, hat sich gezeigt, dass  das Anvisieren einer Teil-Autono­mie der Be­zirkssynode Solo­thurn sinnvoll ist."

Die drei oberwähnten Umstrukturierungen erfolgten in zeitlicher Hinsicht parallel und synchronisiert. Zum Abschluss genehmigte der Regierungsrat des Kantons Solothurn am 25. November 2003 die neue Ord­nung des Verbandes der evangelisch-reformierten Synoden des Kantons Solothurn und gleichzeitig das neue Organisations­reglement der Bezirkssynode, auch unter Bezugnahme auf die teilrevidierte Kirchen­ordnung.

Auslöser all dieser Struk­turreformen war also die Abstimmung vom 10. Juni 2001.

Kirchenname "Bern-Jura-Solothurn" für Aussenauftritte – Folgezeit des "Courant normal" in den Beziehungen

Nach Konsultation der Synode des Synodalverbandes Bern-Jura änderte der Synodalrat auf den Zeitpunkt des Be­ginns der gesamtkirchlichen Reorganisa­tion per 1. April 2003 den Kirchennamen für Aussenauf­tritte. Dies kam auf dem angepassten Briefpapier und im geänderten Logo und Webnamen zum Aus­druck. Der neue Name lautet "Refor­mierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn". Mit einem neuen Kirchen­namen soll­ten die gegenseitigen guten Beziehungen zwischen der Bezirkssynode und dem Synodal­verband zum Aus­druck gebracht werden. Schon im Abstimmungskampf wurde von Seiten der Bezirkssynode nämlich mo­niert: "Wir kom­men im Kirchennamen gar nicht vor." Die Synode befürwortete diese Namensänderung. Sie wurde wie erwähnt mit der Reorganisation am 1. April 2003 umgesetzt.

Nachfolgend trat in den Beziehungen Bern-Solothurn bald wieder der "courant normal" ein. Die So­lo­thurn-Delegation des Synodalrates, bestehend aus zwei Synodalratsmitgliedern und dem Ge­schäftsführer, trat in den folgenden Jahren in etwas weniger hoher Kadenz und nur noch nach Bedarf zu­sammen. Ver­einzelt geschah es, dass bei Synodegeschäften der Solothurn-Aspekt zu wenig beachtet wurde. Dies erfor­derte dann beim Geschäft "Heilpädagogische Kirchliche Unterweisung" eine "Nachbesserung" in ei­nem nachfolgenden Synodebeschluss. Auch bei Fragen der Ordination von Katechet/innen wurde intensiv disku­tiert, wie weit dies alles auch für die Bezirkssynode Solothurn anwendbar sei. Der Synodalrat legte gros­sen Wert darauf, dass auch bei gesamtkirchlichen Kollekten nach Möglichkeit eine Institution des solo­thurnischen Kirchengebiets berücksichtigt ist.

Diese Phase der Stärkung und Konsolidierung der Beziehungen wurde am 7. Juni 2009 mit einer Feier in Grenchen im Rahmen des ersten Bezirkstages abgeschlossen, an der auch das 50-jährige Bestehen des aktuellen Staatsvertrags zwi­schen den Ständen Bern und Solothurn im Mittelpunkt stand.

Solothurn-Motion für festen Synodalratssitz – Errichtung eines Kontaktgremiums

An der Wintersynode vom 1./2. Dezember 2009 wurde von sämtlichen solothurnischen Synodemitglie­dern eine Motion eingereicht. Die Motion wollte den Synodalrat beauftragen, Art. 171 der Kirchenord­nung in der Weise anzupassen, dass  den Kirchgemeinden der Bezirkssynode Solothurn eine ständige Vertretung im Synodalrat zusteht. Die Motion – sollte sie überwiesen werden – verlangte somit eine Än­derung von Art. 171 Abs. 3 der Kirchenordnung, wo der Sitzanspruch nur in der Möglichkeitsform vorge­sehen ist: "Nach Möglichkeit soll ein Mitglied des Synodalrates aus einer Kirchgemeinde der Bezirkssy­node Solothurn gewählt werden." In der Be­gründung führten die Motionäre unter anderem aus, dass für die solothurnischen Kirchgemeinden die Gesetze des Kantons Solothurns gelten. Die Kirchgemeinden sind zu 100 % für die Pfarrstellen zuständig, auch finanziell. Auch das Unterrichtswe­sen ist grundlegend anders organisiert. Für die solo­thurnischen Gemeinden ist punkto Organisation das solothurnische Gemeindege­setz massgebend. Alles in allem ergibt sich – so die Motionäre –, dass es im Synodalrat dringend und zwingend eines Mitglieds der solothurnischen Kirchgemeinden bedarf, da sehr viele Spezialitäten vorhan­den sind, die von einem rein "bernischen" Synodalrat nicht immer genügend berücksichtigt werden kön­nen. Im Hintergrund dieser Motion stand auch die Tatsache, dass eine Solothurner Kandidatur für den Synodalrat zwei Mal gescheitert war.

In seiner Antwort lehnte der Synodalrat das Begehren ab, obwohl er dafür auch Verständnis zeigte. Unter anderem argumentierte er, dass die Mitglieder des Synodalrates nicht ein bestimmtes Kir­chengebiet, sondern ein Sachgebiet vertreten. Auf Antrag der jurassischen Fraktion wurde die Motion in ein Postulat umgewandelt und als solches überwiesen. Im Postulat wurde ver­langt, dass  den Interessen der solothur­nischen Bezirkssynode mehr Rechnung zu tragen ist. U.a. sei die Solothurn-Delegation zu erweitern.

Die Überweisung dieses Postulats löste einen intensiven Prozess aus. Zusammen mit den der Bezirkssy­node Solothurn angehörenden Synode­mitgliedern und der Bezirkssynode Solothurn lotete der Synodalrat sämtliche Möglichkeiten aus. Und schon am 2. Juli 2010 konnte ein neues Kontaktgremium Bern-Solo­thurn erstmals zusammentreten. Es setzt sich aus zwei Mitgliedern des Synodalrates und aus vier von der Bezirkssynode Solothurn gewählten Mit­gliedern zusammen, sowie dem Geschäftsführer. Bereits an dieser ersten Sitzung erarbeitete das Kontaktgremium seine Geschäftsordnung, die am 23. September 2010 vom Synodalrat und am 8. No­vember 2010 von der Bezirkssynode Solothurn genehmigt wurde. Die Geschäfts­ordnung sieht vor, dass das Kontaktgremium pro Jahr in der Regel drei Mal tagt. In der Präambel dieser Geschäftsordnung wird der abgelaufene Prozess wie folgt zusammengefasst: "…Nach intensiven Vorge­sprä­chen sind der Synodalrat und die Delegierten der Be­zirkssynode übereingekommen, ein Kontaktgre­mium zwischen dem Synodalrat und der Bezirkssy­node Solothurn einzurichten, um die gemeinsamen Belange in regelmässigen Sitzungen zu bespre­chen und anzugehen."

Dieses Kontaktgremium wirkt über das Zeitfenster dieses Jahrzehntberichts hinaus. Bern und Solo­thurn sind nicht nur durch die Aare miteinander verbunden, sondern durch einen periodisch immer wieder erneuer­ten Staatsvertrag und durch eine Plattform des re­gelmässigen Dialogs.

Jakob Frey

Bern und Solothurn sind nicht nur durch Brücken über die Aare (hier bei Arch) miteinander verbunden.